Die deutsch-ukrainische Partnerschaft vertieften im Heimatmuseum: (v.l.) Liubov Petrova, Martin Hegselmann (CDU-Fraktion), Manfred Kreutz (SPD-Fraktion), Silvia Hillebrand (FWG-Fraktion), Martina Maury (BMA-Fraktion), Michael Preuten (Vors. Städtepartnerschaftsverein), Dirk Schlebes (Stadtkämmerer), Silke Fischer (Stadt Ahlen), Christoph Wessels (Stadt Ahlen), sitzend Andrii Dranchuk und Stephanie Kosbab.
Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, als Andrii Dranchuk, Bürgermeister der Stadt Khotyn, Vertreterinnen und Vertretern aus Stadtrat und des Städtepartnerschaftsvereins vom Kriegsalltag in seiner ukrainischen Kommune erzählte. „Es wird der härteste Winter im bisherigen Krieg“, zeigte sich Dranchuk angesichts der immer intensiver werdenden russischen Angriffe auf das Elektrizitäts- und Wärmenetz der Ukraine überzeugt. Kälte und Dunkelheit sind nur zwei Probleme, die den Bürgermeister sorgenvoll umtreiben. Seit zwei Jahren muss seine im Südwesten der Ukraine gelegene Stadt, die in Friedenszeiten 20.000 Einwohner zählt, rund 10.000 Binnenflüchtlinge aufnehmen und versorgen.
„Dafür gibt es vom Staat keinerlei Unterstützung“, berichtete Dranchuk den Ahlener Stadtrepräsentanten. Aus eigenen Mitteln müssen die ukrainischen Kommunen die Kriegsfolgelasten bewältigen, die Regierung lenke alle Kapazitäten in den Verteidigungskampf. Was die Menschen alle Belastungen ertragen lasse, sei die unglaublich große Solidarität untereinander. Erst kürzlich habe Khotyn 300 Studierenden aus Odessa Unterkünfte zur Verfügung gestellt, damit sie wohnen und lernen können. Zielgerichtete Hilfe aus dem Ausland sei sehr willkommen.
Auf der Rückreise von der NRW-Ukraine-Konferenz in Köln machte Dranchuk mit seiner Kollegin Liubov Petrova im Heimatmuseum der Stadt Ahlen halt, um zusammen mit Erster Beigeordneter Stephanie Kosbab eine Erklärung zur Solidaritätspartnerschaft zwischen Ahlen und Khotyn zu unterzeichnen. Am 1000. Tag des russischen Kriegs gegen die Ukraine berichtete Andrii Dranchuk, dass sich die öffentliche Infrastruktur in Khotyn kriegsbedingt komplett verändert habe. So stehen beispielsweise keine Schulbusse mehr zur Verfügung, um die Schülerinnen und Schüler aus den zehn Ortsteilen zur Schule zu bringen. „Wenn aber die Strukturen erhalten bleiben, werden auch mehr Menschen im Land bleiben“, will er alles dafür tun, das Leben seiner Bürgerinnen und Bürger so normal wie möglich zu gestalten - trotz der 200 Raketen, die das Land zurzeit täglich treffen und die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen.
Solidaritätspartnerschaft
Der Unterstützung von Stadt zu Stadt verpflichtet sich die Solidaritätspartnerschaft mit Khotyn, die der Rat der Stadt Ahlen am 30. September 2024 nahezu einstimmig beschlossen hat. Damit übernimmt Ahlen die Aufgabe, im Rahmen seiner Möglichkeiten und unter Einbeziehung externer Fördermittel, Zuschüsse und Spenden materielle Unterstützung gezielt und bedarfsorientiert zu leisten. Die Verbindung kam zustande über Ahlens brandenburgische Partnerstadt Teltow. Sowohl Ahlen als auch Khotyn sind partnerschaftlich mit Teltow verbunden, was die Zusammenarbeit der drei Städte sinnvoll macht. Erstmals vorgeschlagen hatte sie Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt 2022 in Ahlen. Die Zusammenarbeit bietet sich insbesondere im Rahmen der Transporte von Hilfsgütern aus Ahlen nach Khotyn an, was im Einzelfall gemeinsam mit Teltow geprüft wird.
Die Unterzeichnung der Vereinbarung sei für ihn und seine Stadt von großer Bedeutung, versicherte Dranchuk. Er danke dem Rat der Stadt Ahlen für die große Hilfsbereitschaft. „Solche Verbindungen sorgen dafür, dass wir sichtbar bleiben“, fürchtet der ukrainische Bürgermeister kaum etwas mehr, als dass die internationale Gemeinschaft dem Freiheitskampf seines Volkes den Rücken kehrt.
„Der Krieg mit seinen Folgen bestürzt uns“, sprach Stephanie Kosbab für die Menschen in Ahlen. „Wir hoffen, in schwierigen Zeiten bestmöglich unterstützen zu können.“ Die Erste Beigeordnete würde sich freuen, in hoffentlich bald friedlicheren Zeiten auch über die freudigen Seiten einer kommunalen Partnerschaft sprechen zu können. In das Gästebuch der Stadt Ahlen notierte Andrii Dranchuk abschließend: „In der schwersten Zeit, am 1000. Tag des groß angelegten Krieges Russlands gegen die Ukraine, unterzeichnen wir heute, die Delegation aus der Stadt Khotyn, ein wichtiges Partnerschaftsdokument, um den schnellstmöglichen Frieden und die Entwicklung unserer Städte zu erreichen.“
Hintergrund:
Der Begriff der Solidaritätspartnerschaft wurde durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) und die Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) geprägt und geformt. Es handelt sich hierbei um eine Kooperation mit der Absicht, zielgerichtete und bedarfsorientierte Hilfe in einer ukrainischen Kommune zu leisten und diese zu unterstützen, ohne dabei eine spätere Städtepartnerschaft auszuschließen oder aber automatisch herbeizuführen. Die Partnerkommunen sind antragsberechtigt bei verschiedenen Unterstützungsprogrammen der SKEW zwecks Generierung von Fördergeldern für Kleinprojekte bis zu 50.000 Euro oder für Großprojekte bis zu 250.000 Euro, wobei der Förderanteil in der Regel einen 90 Prozent Zuschuss umfasst.
Mit Teltow und der polnischen Teltower Partnerstadt Zagan ging Khotyn bereits im Januar 2023 eine trilaterale Partnerschaft ein, welche auch auf nationaler Ebene große Beachtung erntete. Die Stadt Ahlen möchte dieses noch unvollständige „Kleeblatt“ komplettieren und durch ein gemeinsames Viererbündnis ihre Solidarität mit der Ukraine aktiv zum Ausdruck bringen.
Die Art der Hilfe erstreckt sich für den Moment auf die Generierung von Fördermaßnahmen und die Koordinierung von Spenden und Hilfstransporten. Die weitere Finanzierung der Solidaritätspartnerschaft erfolgt im Rahmen der im Haushalt zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln.
» Vereinbarung über die Solidaritätspartnerschaft Ahlen-Khotyn
Quelle: Stadt Ahlen | Foto: Stadt Ahlen